Ich und die Welt

Ist, was täglich erfahren wird, nicht Ich?

Guido am 19.November 2003 um 21:11

Das, was ich bin, ist. Es ist immer gleich. Erfahrungen kommen und gehen, eventuell sind sich auch zu mir gehörig, aber sie sind nicht von Dauer.
Ich kann mich an bestimmte Erfahrungen, Gefühle,... gar nicht mehr erinnern. Sie sind einmal gekommen und gehen auch wieder. Sie sind sozusagen in der Zeit, und Zeit existiert eigentlich gar nicht. Es gibt nur diesen einen Moment und genauso gibt es auch nur dieses gleiche Ich Ich, das ich bin.
Gut, Gefühle und Erfahrungen sind eben jetzt, aber sie sind vergänglich, kommen und gehen.
Das was du bist, kommt und geht nicht, sondern in dem kommt und geht alles.
Die Analogie der Zeit ist ganz gut. Im Jetzt, dass du bist, kommt und geht alles...
Klar sind Erfahrungen, Gefühle,... Ausdruck des Einen, der du bist, aber eben Aus-druck, in Erscheinung Getretendes, aber nicht du selber.

Mir fehlen die Worte, es ist ein Erfahren, ein Sein eher. Näher als der Atem, näher als Gedanken und Gefühle, näher als Erfahrungen bin ich.

Franz am 19.November 2003 um 21:20

jede trennung zwischen erfahrung und erfahrendem ist einbildung.
und die absolute trennung zwischen erfahrung und erfahrendem führt zu genau dieser erkenntnis.

seltsam, nicht?

:-)

Dharma am 20.November 2003 um 01:23

Um Franz und Dharma zu ergänzen und zu verbinden:

In dem Moment, wo ich mich frage, ob diese oder jene Erfahrung nicht auch ich selbst bin, ist die Erfahrung ja schon vorbei, ich betrachte bereits eine Erinnerung. Man könnte also sagen, ich mache die Erfahrung der Erinnerung einer früheren Erfahrung. Ich "hantiere mit Symbolen". Es handelt sich also um eine gedankliche Spekulation und wir sollten uns bewusst sein, dass so etwas mit Wahrheit wenig zu tun hat. Eher schon mit Wirklichkeit, zwar nicht im absoluten Sinn, aber als direkte Ursache beispielsweise meiner emotionalen Befindlichkeit. (Noch lasse ich die Frage, wer denn Erfahrungen macht, wer erinnert, wer Emotionen hat, beiseite. Denn wer in diese Frage eintaucht, der fragt gar nicht mehr nach Ich und Nicht-Ich.) Die letzte Ursache meiner Gefühle ist natürlich nicht mein Denken, sondern die unsichtbare, unerkennbare und doch völlig offensichtliche Quelle jeder Erscheinung. Verfolgt man die Kette der Ursachen von Ursachen nur lange genug zurück, dann muss man zu diesem Schluss kommen.

Wie also könnte ich die Frage: "Ist, was täglich erfahren wird, nicht Ich?" richtig beantworten? Im Deutschen fehlt mir ja das chinesische "Mu", das ausdrückt, dass der Kontext der Frage verneint wird, was bedeutet, dass die Frage falsch gestellt ist. "Bin das da nicht ich?" (bleiben wir ruhig bei der landläufigen Klein- und Großschreibung) beinhaltet zwei "Objekte" und den "Raum", in dem sie erscheinen: "Das da" ist ein Objekt (oder "Ding"). Es ist Gegenstand der Wahrnehmung. "Ich" ist ein Objekt, der zweite Gegenstand der Wahrnehmung. Und dann ist noch implizit aber nicht ausgesprochen ein Drittes, nämlich "der", der sich das fragt. Im bestmöglichen, korrektestem Sinn, ist die Antwort also: "Wer fragt das?"

Diese Antwort wird nicht geschätzt. Sie ist frustrierend. In Kreisen wie diesen ist sie tausendmal gegeben worden und wird noch immer nicht gehört. Sie ist zum Todschlagargument verkommen. Aber sie ist unser "Mu".
Wenn sich aber der Fragende darauf hin seiner momentanen Ich-Vorstellung zuwendet, dann ist das bloß ein billiger, letzter Trick des Verstandes. Er macht flugs wieder ein Objekt aus mir, der Quelle aller Erscheinungen. Er separiert sich von mir, seinem Schöpfer. "Wer wendet sich zu? Wer separiert sich?", das wäre die Reaktion auf diesen üblichen Vorgang, die weiter ins Nichts, zum Nicht-Objekt hin weist. Wir haben dies in diesem Forum tausende Male getan. Tausende Male haben wir es gelesen und gehört, in Satsangs, in Büchern, in der katholischen Kirche: "Ich bin, der Ich-Bin." Wir hören nur nicht wirklich, lesen nicht wirklich, weil wir sonst, wie Osho immer wieder gesagt hat, verschwinden würden und nur das Nicht-Das, das Unerkennbare, Ungeborene, Unerschaffene, "Gtt", bliebe. Und das wollen wir nicht sein, wir wollen es erkennen.

"Ich wollte nicht Schokolade sein, sondern sie essen", sagte Papaji.

Also, Guido, muss ich auf deine Frage, ob das, was täglich erfahren wird, nicht ICH sei, mit den Mitteln der deutschen Sprache und um die zu bekannte, enttäuschende Antwort zu vermeiden, sagen: "Nein, das bist nicht du selbst. Es erscheint in dir. Kümmere dich nicht um das, was kommt und geht, kümmere dich um den, der es wahrnimmt." Und damit wäre ich bei der Antwort die Ramana Papaji gegeben hat, als er mit seinen Krishna-Visionen prahlte. Weil ich aber lieb und nett erscheine (und etwas boshaft bin), sage ich dir gleich:
"Vorsicht: Wenn du diesem Rat folgst, wirst du verlöschen wie ein kleines Teelicht und nichts wird mehr übrig sein, solche dummen Fragen zu stellen!"
Wenn deine Frage aber quälend ist wie Franzens ewige Frage nach dem Tod, dann wirst du Ramanas Hinweis trotzdem folgen. Inshallah.

Subhash am 20.November 2003 um 08:43