Die Frauen versammeln sich neumondens am Feld

Bildtitel sind problematisch. Wenn einem daran liegt, dass die Betrachterin bzw. der Betrachter möglichst frei seiner Auffassung und Phantasie folgt – und mir ist das wichtig, weil ich den Akt der Wahrnehmung bewusst machen möchte –, dann tut man sich schwer damit, durch den Bildtitel eine Interpretation vorzugeben. Eine Zeit lang bin ich so verfahren, dass ich (abstrakten) Fotografien spanische Titel gab (weil hierzulande wenige Leute spanisch sprechen) oder gleich Kunstbegriffe erfand. Weiterlesen

Schlangenbrut

So trivial es klingt und so wenig hilfreich für die, die den Rat eines Fotografen wünschen:

Das Wichtigste an der Fotografie ist es, sehen zu lernen.

Je länger ich fotografiere und je intensiver ich mich damit befasse, desto bedeutender scheint mir diese scheinbar simple Einsicht. Verständlicher wird das, wenn man bedenkt, dass man die fotografische Technik mit der Zeit immer besser beherrschen lernt und daher die Aspekte der Wahrnehmung und ihrer Interpretation in den Vordergrund rücken. Weiterlesen

Das Wesen der Dinge

Subhash: „Welkender Wiesenblumenstrauß #7840”

Welkender Wiesen-
blumenstrauß

Mitten im heißesten Sommer kündigt sich schon sein Vergehen an. Die ersten Felder werden abgeerntet, immer mehr Blütenpflanzen verwelken, die Tage werden schon wieder deutlich merkbar kürzer.

Der selten gewordene Rittersporn, der uns zahlreich mit seinen zarten Kerzen so freundlich überrascht hat, blüht ab, und die ersten Dahlienblüten verwelken. Sogar schon hier, wo die Vegetation den wärmeren Gebieten im Süden Österreichs meist deutlich hinterher hinkt.

Die Zeit der Ernte beginnt. Jetzt geht es darum sie einzubringen und so aufzubewahren, dass sie uns hilft, die karge Zeit zu überstehen, die jetzt noch kaum zu ahnen ist. – Weiterlesen

Die Fotografie (wieder) befreien!

Sie wollten die Fotografie aus dem Würgegriff der Technik und dem Zwang zum Dokumentarischen befreien und sie verstärkt als impressionistisches, flexibles Medium einsetzen.

[…]

Die Piktoralisten waren der Auffassung, dass die Fotografie weder dokumentarisch Fakten aufzeichnen, noch als Mittel zur Nachschaffung von Kunstwerken dienen sollte …

(Pam Roberts: „Alfred Stieglitz, Galerie ,291’ und Camera Work” in „Camera Work – The Complete Photographs”)

Wie konnte das alles nur wieder verloren gehen?! Warum sehen wir heute beinahe ausschließlich dokumentarische Fotografie, selbst da, wo sie den Anspruch Kunstwerk zu sein erhebt? Was hat die Arbeit von Alfred Stieglitz und vielen anderen um die Jahrhundertwende zum 20. Jhdt. zunichte gemacht? Warum erntet man heute nur verständnislose Blicke, wenn man diesen Umstand anspricht? Weiterlesen

Künstlerisch und dokumentarisch (Panorama Mödling, Schrannenplatz)

Subhash: „Panorama vom Mödlinger Schrannenplatz”Subhash: „Panorama vom Mödlinger Schrannenplatz”

Unlängst bekam ich zu hören (bzw. zu lesen), dass mein letztes Bild «Explosión otoñal» nicht gefalle. Als Begründung wurde genannt: „… da bin ich wohl zu sehr Fotografin und zu wenig Künstlerin …” – Interessant, nicht? Da wird einem Bild das Fotografiehafte abgesprochen, weil es zu „künstlerisch” sei. So, als ob eine „künstlerische” Fotografie gar keine „richtige” Fotografie sei. Das bestätigt mich darin, wie notwendig meine Bemühungen sind, der Fotografie wieder mehr Raum zu verschaffen. Ich bin kein Feind der dokumentarischen Fotografie, aber sehr wohl einer ihrer Höherstellung. Weiterlesen

Über Fotografie

Subhash: «Pormelado #3057»

«Pormelado #3057»

Wir betrachten die Photographie, das Bild an unserer Wand, als das Objekt selbst (Mensch, Landschaft, etc.), welches auf ihr dargestellt ist.

Dies müsste nicht sein.

(Ludwig Wittgenstein)

Jede Sprache im weiteren Sinn korrumpiert, lähmt und betäubt für gewöhnlich – nicht nur die der Fotografie, für die das Susan Sontag anmerkt. Sprache macht einerseits wahrnehmbar, indem sie sozusagen Behältnisse für den doch recht undifferenzierten Energiefluss bereit hält, doch sie prägt und zensuriert damit jede Wahrnehmung und lässt diesen Umstand dann vergessen. Sie stellt die Bausteine zur Verfügung, aus denen wir Erinnerungen bauen (und ohne Erinnerung keine Wahrnehmung), diese Modellbauwelt, die wir gewöhnlich für wahr nehmen. Sind uns die Bausteine sehr vertraut und verwenden wir sie immer auf die selbe Weise, dann ist unsere Welt grau, langweilig, leblos und altbekannt. Manche Wahrnehmung ist mit mancher Sprache auch einfach gar nicht möglich. Aber ebenso wie es Menschen gibt, die sich und Andere mit Hilfe von Worten aus der Betäubung heraussingen können, gibt es Überwinder*innen der Stumpfheit auf jedem Gebiet des „Hantierens mit Symbolen” (was „Sprache” letztlich bedeutet). Das sind Künstler*innen, die erst an die Grenzen gehen, an die Absperrungen, und dann darüber hinaus. Weiterlesen

Die Welt sehen

Subhash: «Cielo negro #117_2»

«Cielo negro #117_2»

Die Welt ist die Welt, weil du weißt, welche Anschauung erforderlich ist, sie dazu zu machen. Würdest du sie nicht durch Anschauung zu dem machen, was sie ist, dann wäre die Welt anders.

(frei nach Carlos Castañedas Don Juan)

In der deutschen Übersetzung des Originals („Reise nach Ixtlan”) heißt es statt Anschauung „Tun”. Das ist natürlich insoferne gerechtfertigt, als nicht nur körperliches Anschauen und eine geistige Weltanschauung dazu nötig ist. Aber hier in diesem Blog geht’s mir zu allererst um Fotografie, und die hat sehr viel mit Anschauung, geistiger und körperlicher, zu tun. Weiterlesen

Kunst und Alltag

Subhash: «En el lago #1750»

En el lago #1750

Wir wollen die Kunst, dieses Exzeptionelle, dem Alltag vermählen. Die Hand der Dame R. H. ist ein Kunstwerk Gottes. Wir bringen sie photographiert. […] Der Reichtum des Daseins, nahegerückt für die, deren notwendige Geschäftigkeit sie hindert, ihn zu erleben! […] Wir wollen dich erziehen, das heißt aufhalten in deinen Rastlosigkeiten, auf dass du verweilest, schauest, staunest! Es gibt so viel zu schauen und zu staunen! Innezuhalten, zu verharren! Stillgestanden, Allzugeschäftiger! Nütze deine Augen …

(Peter Altenberg: „Kunst”, 1903)

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Mit Polaroid bewusster fotografieren

Die Polaroid „Spirit 600 CL”; © Timo M.

Polaroid „Spirit 600 CL”
© Timo M.

Von analog zu digital …

Meine ersten fotografischen Gehversuche liegen gut zwanzig Jahre zurück. Die Beschränkungen des viel zu kurzen Films, das lange Warten auf die entwickelten Bilder, die Freude und häufig auch Enttäuschung über die Ergebnisse sind noch gut in Erinnerung. Nach einer ganzen Weile Abstinenz kaufte ich mir vor einigen Jahren eine digitale Kamera und die Begeisterung über die scheinbar überwundenen Schranken folgte schnell.

Ein Hoch auf die digitale Fotografie! Hat man die häufig schmerzlichen hohen Anschaffungskosten erst einmal „weggesteckt”, entstehen Bilder am Fließband – es kostet ja schließlich nichts. So kam ich häufig nach einem fotografischen Ausflug mit Unmengen an Fotos zurück und war doch selten zufrieden. Weiterlesen

Prager Fotografie 4 (oder: Augen, die nicht sehen)

Subhash: „Das Abstrakte ist konkret …”

Das Abstrakte ist konkret …

Anscheinend ist die Gewohnheit, von einer Fotografie zu erwarten, dass sie auf etwas Anderes, Gegenständliches verweist, heutzutage fast übermächtig. „Die Leute wollen eben etwas sehen”, lautete die entschuldigende Antwort auf eine meiner häufigen Klagen über die Abwesenheit von selbst-referenzieller Fotografie bei einer großen Foto-Ausstellung. Weiterlesen

You listen. And you play.

Subhash: «El escondite», 2012

«El escondite»

Der Trompeter und Bandleader Miles Davis verlangte vom jungen Percussionisten Airto Moreira, nicht „draufzuhauen”. Airto spielte also ganz zart und vorsichtig, aber das war es nicht, was gemeint war. Nach dem ersten Set präzisierte Miles:

You listen. And you play.

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Spielraum zurück erobern

Klaus Petsch: Ohne Titel

Klaus Petsch: Ohne Titel

Es gibt Tage, da empfindet man die einfache Tatsache des Sehens wie ein wahres Glück.

(Robert Doisneau) 1)

Das Sehen ist sicher eines der entscheidenden Dinge, ein Bild hervorzubringen. Vorher ist das Sehen-Lernen wichtig. Weiterlesen

Der Engel des Zufalls

Klaus Wagenhäuser: „Der Engel des Zufalls”

Der Engel des Zufalls

Wie alle Abbildungen ist auch das Foto immer ein Hinweis, ein Fingerzeig „Schau mal das da, schau mal hier”. Im Mittelalter war Bildung einer elitären Klasse vorbehalten: dem Klerus und dem Adel. Dem Volk, das damals bis auf wenige Ausnahmen weder lesen noch schreiben konnte, erklärte man die Welt und vor allen Dingen Gott über Bilder. Selbstverständlich streng im Sinne des Erzählers, wurde eine Manipulation der Betrachter vorgenommen, was damals nicht sehr schwer war. Weiterlesen

You can not do it

23 de enero

«23 de enero», Caracas, Venezuela

Der Kanadier David duChemin hat in seinem Blog unlängst wieder einmal aufgewärmt, was hierzulande als „amerikanischer Traum” bekannt ist. So sehr ich ihn als Fotografen schätze: Ich hätte nicht gedacht, dass er mit dieser dummen, alten Geschichte daherkommt.

Arbeit ist immer historisch und kollektiv. Was immer man tut, man baut auf der Leistung anderer auf. Ohne andere Menschen gäbe es weder eine einzige Fotografie, noch irgendeine*n Fotograf*in. Der eigene Anteil an dem, was man schafft, ist verschwindend gering verglichen mit der Masse an gemeinsamer Arbeit, die in ihm steckt. Weiterlesen