Klischees

Es gibt Motive, die sind dermaßen überbeansprucht, dass man sich fragen könnte, ob man sie überhaupt noch fotografieren darf. Klassische Beispiele sind Sonnenuntergänge, (Tau-) Tropfen auf Blüten oder aus neuerer Zeit die inzwischen so genannten „Lost Places”; einst eine tolle Idee, den Detailreichtum, die unterschiedlichsten Texturen und Strukturen von verfallenden Gebäuden zu fotografieren, kann ich mittlerweile nicht einmal den Begriff mehr hören! Wie mir gesagt wird, geister(te)n auch gefrorenen Seifenblasen durch das Internet (das übrigens eine sehr produktive Klischeemaschine ist). Nun, ich als Facebook-Verweigerer und genereller Feind der asozialen Spionageunternehmen, habe davon bis vor kurzem gar nichts mitbekommen. Wenn man so etwas das erste Mal sieht, ist man begeistert von den Eisblumen auf der Kugeloberfläche und der ausgefallenen Idee. Einstmals ausgefallen, muss man wohl sagen.

Darf man also solche Klischees noch fotografieren, als jemand, der sich ernsthaft, wie man so sagt, ja sogar künstlerisch mit Fotografie beschäftigt? –
Subhash: „Eiskugel #1546”
Ja, man darf. Keine Angst vor Kitsch! Was soll schon passieren? Im schlechtesten Fall wird man von den strengen Wächtern der Wahren Fotografie nicht mehr ernst genommen. Nun ja, es gibt schlimmeres. Im günstigsten Fall lernt man etwas dabei und kommt auf (tatsächlich) neue Ideen.
Subhash: „Eiskugel #1516”
Man muss spielen dürfen, nachahmen, ausprobieren, experimentieren, dann kann auch etwas Neues entstehen. Wer allzusehr auf Etikette und Regeln achtet, wird geknebelt und gefesselt brav seine erlaubten Produkte abliefern, aber nie Begeisterung kennen lernen. Deshalb zeige ich nicht nur in unseren Workshops, wie man seine persönliche Routine durchbricht, sondern tue es bei jeder Gelegenheit auch selbst, sogar wenn die Mittel dazu für andere schon lange Routine bedeuten mögen.
Subhash: „Eiskugel #1539”

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2 Gedanken zu „Klischees

  1. Tatsächlich geht es mir bei einigen „Postkarten-Motiven“ auch so, dass ich dafür die Kamera nicht mehr zücke.
    Ich denke, es kommt ein wenig auf den eigenen Anspruch und die eigene Entwicklung an. Gerade in jungen Jahren ist es wichtig, dass man bei allem einfach mal abdrückt – erst nach hinten hin verfeinert sich das immer mehr. Spannend wird es dann, wenn man anfängt zu überlegen „Wie kann ich mehr aus einem Sonnenuntergang rausholen?“, oder eben aus einem Lost Place.
    Aber bei aller Liebe zur Fotografie sollte man auch den Mut haben, die Kamera einfach mal weg zu lassen (:

    • Danke für deinen Kommentar!
      Ich glaube, „einfach abdrücken” ist unbefriedigend. Es wäre schon hilfreich, sich hin und wieder Gedanken zu machen, warum ein Bild gelungen, ein anderes aber misslungen ist. Auf diese Weise lernt man und bekommt ein Gefühl dafür, wie man etwas so aufnimmt, dass es der eigenen Wahrnehmung entspricht, vielleicht sogar dem Genius loci oder gar einen Dialog zwischen Fotograf*in und Motiv darstellt. Spielerisch oder mit Offenheit zu fotografieren bedeutet ja nicht ohne Engagement an die Sache heranzugehen. Und das, glaube ich, meinst du ja auch, wenn du von der Überlegung sprichst „mehr rauszuholen”.
      Ohne Einfühlsamkeit wird man zur Knipserin bzw. zum Knipser. Davon aber gibt es heute wirklich schon genug.

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