Viele Jahre habe ich hauptsächlich Landschaften fotografiert. Das abwechslungsreiche natürliche Licht und die Änderungen im Tages- Monats- und Jahreslauf fanden mein Interesse, und nie wurde mir langweilig die selben Örtlichkeiten wieder und wieder aufzunehmen. Entweder war das Licht (und damit die Schatten) anders, die Pflanzen der Jahreszeit entsprechend in einem anderen Entwicklungsstadium oder meine Stimmung verschieden im Vergleich zu den anderen Malen, da ich das selbe Objekt ebenfalls als Motiv erkannt hatte. Man macht nie zwei Mal das selbe Bild, so wie man auch nie zwei Mal in den selben Fluss steigen kann.
Und dann geschah etwas völlig Unerwartetes.
Als Landschaftsfotograf geht man mit dem um, was man vorfindet. Ja, man kann vielleicht zu einer günstigeren Zeit wiederkommen oder das Heranziehen einer Wolke abwarten, aber man arbeitet immer mit vorhandenem Licht. Fotografierte ich einmal Architektur oder Portraits, dann ebenfalls mit vorgefundenem Licht. Künstliches Licht hatte mich nicht besonders interessiert, auch nicht gestört: Ich nahm das, was mir geboten wurde. Manchmal war es das erbärmliche rote Bühnenlicht bei einem Konzert, manchmal die grüne Leuchtstoffröhre, dann wieder weiches Glühlampenlicht. Meine Systemblitze ließ ich fast immer zu Hause: Ich mochte kein Blitzlicht. Kein Wunder, wenn man bedenkt, was man alles für Blitzaufnahmen zu sehen bekommt!
Aber dann …
Aber dann geschah es, dass ich mich plötzlich – angeregt durch einen Portraitworkshop – im Besitz einer kleinen Studioblitzanlage befand, die ich noch dazu selbst gekauft hatte! Mit dabei eine kleine Softbox (60 x 60 cm) und ein Reflektorschirm (ø 85 cm). Immerhin. Einen weiteren faltbaren Reflektor hatte ich schon. (Ja, manchmal hatte ich das vorhandene Licht auch schon vorher manipuliert.) Und dann gab’s noch drei Systemblitze, die sich im Laufe von 40 Jahren Fotografie angesammelt hatten.
So begann ich mich also auf eine neue Art mit Licht auseinanderzusetzen, nämlich mit der bewussten Setzung von Licht, um die Schatten zu erzeugen, die ich wollte, mit der Steuerung des Motivkontrastes durch Aufhelllicht, mit der Erzeugung von hartem und weichem Licht. Das gibt neue Möglichkeiten und lässt einem das unerschöpfliche Thema „Licht” auf eine weitere Weise betrachten.
Im Zuge meiner Beschäftigung mit der Lichtgestaltung in der Fotografie (übrigens ein empfehlenswerter Buchtitel von Edward von Niederhäusern) entstand das folgende Bild, das Tages- und Blitzlicht kombiniert (das erwähnte Buch liegt übrigens am Schreibtisch links vorne):
„Selbstportrait mit Rechner #5585”
Ein Making-Of für Interessierte:
Ich wollte den großen Helligkeitsunterschied zwischen Draußen und Drinnen zwar ausgleichen, aber doch eine „realistische”, d.h. dem gewohnten Augeneindruck entsprechende Aufnahme erzielen. Auch der Monitor des Computers bzw. das, was er gerade darstellte, sollte ungefähr erkennbar bleiben. Also galt es, das richtige Verhältnis zwischen dem durchs Fenster einfallenden Tageslicht und dem Blitzlicht zu finden, das keinesfalls harte Schatten werfen und am besten gar nicht als solches auffallen sollte.
Zuerst maß ich vom Motiv aus mit Hilfe eines Blitz-Belichtungsmessers die Helligkeit eines gewöhnlichen Systemblitzes, den ich allerdings nicht direkt, sondern durch die weiße Zimmerdecke reflektiert verwendete. (Wer keinen Blitz-Belichtungsmesser hat, kann die Helligkeit mittels Leitzahl, Entfernung und vermuteter Dämpfung durch die Reflexion schätzen und Probeaufnahmen machen.) Ich merkte mir die angezeigte Blende 11. Dann fand ich mittels Spotmessung die Helligkeit des Laubs vor dem Fenster heraus und damit die Belichtungszeit, die kombiniert mit Blende 11 die gewünschte Helligkeit des Außenbereichs darstellen konnte. Ausgelöst wurde der entfesselte Blitz durch einen kabellosen Blitzauslöser, der auf den kamerainternen Blitz reagierte, der wiederum mit stark reduzierter Leistung (also sehr schwach) in Richtung Motiv strahlte. Die Kamera ihrerseits wurde mit 4 Sekunden Verzögerung über einen Infrarotauslöser betätigt und stand natürlich auf einem Stativ.
Das Verhältnis Blitzlicht/Tageslicht lässt sich nun auf einfache Weise regulieren: Ändert man die Blende (und natürlich passend die Belichtungszeit um die Tageslichthelligkeit nicht zu beeinflussen), ändert sich der Blitzlichtanteil, ändert man nur die Belichtungszeit, ändert sich der Tageslichtanteil, weil die beiden Blitze so kurz leuchten, dass es keine Rolle spielt, ob 1/125 oder 3 Sekunden lang belichtet wird. So habe ich die Balance gefunden, die mir gefiel.
Das Bild wurde dann wie gewohnt in Lightroom aus der RAW-Aufnahme entwickelt und in Grautöne konvertiert. Ich mag eine Schwarzweiß-Darstellung bei Portraits meist lieber als eine farbige. Sie reduziert Ablenkungen vom Gesicht durch unerwünschte Farbkontraste und wirkt allgemein eleganter. Eine dezente Teiltonung machte das Bild wärmer.
Hier nochmals das Bild und darunter die Farbvariante zum Vergleich:
Die Farbvariante des obigen Bildes
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