Eine große Retrospektive ist dem tschechischen Fotografen Jan Reich gewidmet, der vor 3 Jahren verstorben ist: Über 420 Fotografien kann man in einem Seitenflügel der Prager Burg noch bis in den Sommer sehen (Plakat links). Seine Frau Jana Reichová kuratierte diese Ausstellung.
Reich fotografierte in Schwarzweiß mit einer alten Holzkamera, die er vom berühmten Josef Sudek geerbt hat, in dessen Museum ich es auf meiner kurzen Prager Fotoreise leider nicht mehr geschafft habe.1) Er konzentrierte sich hauptsächlich auf tschechoslowakische Landschaften und auf vom Untergang bedrohte Ansichten von Teilen Prags. Während eines mehrmonatigen Parisaufenthalts verwendete er aber auch eine kleine Leica zur Street Photography.
So viele Bilder eines einzigen Fotografen zu sehen gibt einen starken Eindruck seines Werkes. Portraits aus dem Zirkus, in dem er als Arbeiter beschäftigt war, Serien wie „Das verschwindende Prag” oder „Das Haus am Land” – wie auch zwei seiner Bücher heißen – seltener Stillleben, seine Frau, die Kinder … Seine Landschaftsbilder erinnern mich ans Österreichische Waldviertel.
Gerne hätte ich ein Bier mit ihm getrunken, ihm meine große Anerkennung ausgesprochen, ein wenig geplaudert über das Handwerk und die Inspiration, über Dokumentation und selbstreferenzielle Fotografie, über Wahrheit in der Kunst, über Fluch und Segen des Kapitalismus.
Wenn ich auch nicht zustimme, dass die „eigentliche Aufgabe der Fotografie” das Festhalten des Entschwindenden ist, wie er 2006 in einem Interview sagte, so kann ich aber doch Wert in diesem Aspekt sehen. Kommt dann noch so ein ausgesprochen künstlerischer Blick der Fotografin oder des Fotografen dazu, dann hindert mich nichts daran, die dokumentarische Fotografie ebenso zu genießen wie etwa die abstrakte.
Die „Prager Zeitung” nennt seine Bilder in einem Bericht über die Ausstellung „düster und entrückt”. Ich empfand sie melancholisch und liebevoll, in Ruhe komponiert und meisterhaft gesehen. Bodenständig. Man muss mit diesen Bildern eine Zeit lang leben und sie langsam wirken lassen um hinter der Schwermut die stille Freude zu entdecken. Für die, die keine Fotografien von ihm besitzen, können seine Bücher dazu verhelfen.
1) Ein paar Fotografien Josef Sudeks zeigt die Galerie Johannes Faber auf der Kunstmesse art austria im Wiener Leopold Museum noch bis 13. Mai ’12. ↑
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