Der Tod ist etwas Erschreckendes: Das Nicht-mehr-Sein, das Nie-wieder-Sein oder für gläubige Juden, Christen, Muslime: das Einander-erst-nach-dem-eigenen-Tod-Wiedersehen, das verstört einen. Wir wissen zwar normalerweise nicht aus eigener Erinnerung, was und wo wir waren, bevor wir waren, aber das hindert uns nicht daran, erschreckt zu sein über das Nichtwissen darüber, wo wir sein werden, wenn wir nicht mehr sein werden.
«La flor muerta»
Technische Daten: Olympus E-5, Zuiko 50 mm Makro, f/11, 1/6 sec, ISO 200, Stativ, Spiegelvorauslösung, Infrarotauslöser, Focus stacking (Tiefenschärfen-Erweiterung) mit 14 Einzelaufnahmen
Idyllisch wird oft schwadroniert: „Die Blüte muss absterben, damit die Pflanze Frucht tragen kann.” – Manches Mal stirbt dann allerdings auch gleich die ganze Pflanze; das klassische Beispiel ist Getreide. (Wobei dann der Bauer bildlich als Sensenmann, als Tod, dargestellt wird, der er ja gar nicht ist, denn geerntet wird doch erst, wenn die Pflanze schon dürr ist.)
Bei den Menschen wären demnach die eigenen Kinder die Früchte. – Hmm. Tröstet das? – Es bleibt etwas von mir über: die Kinder. Oder es bleibt etwas von dem geliebten Menschen: seine Kinder. – Na, ich weiß nicht! Manchmal kann ich seine Kinder aber gar nicht leiden, während er mir viel bedeutet hat. Kinder sind auch nicht Ersatz für beispielsweise einen verstorbenen Partner …
Wie also ist das jetzt mit dem Tod? – Da ist etwas oder jemand, und plötzlich nicht mehr. – Stimmt das überhaupt? Was war denn da und dann kurz darauf nicht mehr? – Ebenso wie die Blüte welk wird, bevor sie abfällt, und davor in voller Pracht stand und davor im Erblühen und davor als Knospe vorhanden war und davor als Möglichkeit, Ahnung, Hoffnung; ebenso ist da nicht einfach jemand, der dann nicht mehr ist. Dieses Ich … ist eine nicht aufrecht zu erhaltende Illusion, meint Ernst Mach. Es ändert sich ständig und nur die (befristete) Kontinuität mancher Eigenschaften und die nur langsame Änderung anderer gaukelt Beständigkeit vor.
Es gibt gar keine feste Person, kein festes Wesen, das lebt und dann stirbt. Vielleicht ist unsere Vorstellung von diesem Wesen festgefügt, aber das Wesen selbst ist es nicht. Was stirbt, ist vor allem unsere Vorstellung. Das Aufschieben wird plötzlich uneinlösbar, die Vorstellung, es ginge immer so weiter und es wäre noch Zeit, wird abgelöst von der Vorstellung des Nie-Wieder und der Keiner-Zeit.
Aber wie Ernst Mach betont, sind unsere Wesenszüge nicht individuell, sondern in vielen anderen Wesen ebenso vorhanden. Die Zusammenstellung mag einmalig sein, die Elemente sind es nicht. So wie der Körper zerfällt und mit der Zeit Teil andere Körper wird, so zerfällt die Person und war doch schon immer auch aufgeteilt auf andere Wesen. Der Tod ist hauptsächlich Vorstellung, das Ende der (eingebildeten) Kontinuität.
Was wir am Tode so sehr fürchten, die Vernichtung der Beständigkeit, das tritt im Leben schon in reichlichem Maße ein.
[…]
Das physiologische Sterben wird durch solche Überlegungen natürlich nicht erleichtert.(Ernst Mach: „Die Analyse der Empfindungen”,
Kapitel „Antimetaphysische Vorbemerkungen”)
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