Dr. Wolfgang Sternstein
(Bild: unbekannter Fotograf)
Die Feiglinge – die Gewalttäter – die Gewaltlosen aus Not – die Gewaltfreien aus Einsicht: So beschreibt Mahatma Gandhi die Stufen des Widerstandes, die er auch selbst durchlebt hat. Und dann gibt’s noch den Chor derer, die “Ich kann doch nichts bewirken” heulen, derer, denen jede “Wir-Stärke” (Huhki) fehlt. Die, die wahrscheinlich noch nicht einmal Feiglinge sind nach Gandhis Stufenleiter.
Noch!
Menschenrecht auf Ungehorsam
Am vergangenen Wochenende habe ich einen Workshop zum Thema „Menschenrecht auf Ungehorsam“ mit Dr. Wolfgang Sternstein besucht. Wolfgang bezeichnet sich als Friedens- und Konfliktforscher, hat an vielen Aktionen gegen Atomkraftwerke, Wiederaufbereitungsanlagen und die Stationierung von Atomwaffen teilgenommen und ist dafür insgesamt über ein Jahr im Gefängnis gesessen. Einer, der als Kind geprügelt, nicht anders konnte, als zu versuchen Gewalt verstehen zu lernen und etwas dagegen zu unternehmen.
Was das mit Venezuela oder Kolumbien zu tun hat?
Gelungene gewaltfreie Aktion
Sich den Dokumentarfilm “The revolution will not be televised” vor diesem Hintergrund anzusehen und zu bedenken, ist interessant und aufschlussreich: Wie weit kann man die Vereitelung des Putsches gegen Hugo Chávez im April 2002 als gelungene gewaltfreie Aktion sehen? Im Film sieht’s ja nicht so aus, als wäre der Widerstand groß organisiert worden. Das empfiehlt Gandhi (und auch Wolfgang Sternstein) zwar eindringlich, ist aber kein Ausschlusskriterium. Wie viel Gewalt hat der Widerstand angewendet? – Ich weiß es nicht. Im Film ist nur Polizei- und Militärgewalt zu sehen. Natürlich stellt die aufgeregte Masse von hunderttausenden Leuten eine gewisse Gewaltdrohung dar und die Befreiung von Chávez ist wohl auch vor dem Hintergrund einer Gewaltdrohung zu sehen, aber so viel ich weiß, ist dabei kein Blut geflosssen. Auch nach dem Putsch übrigens gab es keine Hinrichtungswelle, kein Konzentrationslager, keinen Gulag; im Gegenteil: Noch im Film ist zu sehen, wie jemand den Gefangenen im Keller des Präsidentenpalastes ihre Bürgerrechte zusichert. Inzwischen gab es eine Generalamnestie für die am Putsch beteiligten mit Ausnahme der allerobersten Köpfe, die aber sowieso alle flüchtig sind.
Wider diese EU-Verfassung
Sollte das uns Zaghaften (und ich muss auch mich selbst leider dazuzählen) nicht Mut machen? Wenn ein Staatsstreich auf diese Art verhindert werden kann, müssen wir (d. h. wir Österreicherinnen und Österreicher) uns dann eine neue Verfassung einfach überstülpen lassen? Eine, die einem kalten Staatsstreich gleichkommt, weil sie die Neutralität gänzlich aushebelt und in vielen Artikeln das oberste Primat einer neoliberalen Wirtschaft festschreibt, was schließlich vielen verfassungsmäßig zugesicherten Bürgerrechten widerspricht. Sollten wir unsere Resignation und Angst nicht überwinden und endlich aufstehen gegen diesen so genannten EU-Reformvertrag?
Ist Ungehorsam nicht tatsächlich ein Menschenrecht, ja, ein notwendiges Korrektiv? Sollte er in einer wahren Demokratie nicht ausdrücklich begrüßt werden?
Antithese
Da aber die Antithese zum Widerstand die Hingabe ist, will ich nicht verschweigen, was mich außerdem berührt hat in letzter Zeit:
Antony singt Leonard Cohens „If It Be Your Will“
If it be your will
That I speak no more
And my voice be still
As it was before
I will speak no more
I shall abide until
I am spoken for
If it be your will
If it be your will
That a voice be true
From this broken hill
I will sing to you
From this broken hill
All your praises they shall ring
If it be your will
To let me sing
From this broken hill
All your praises they shall ring
If it be your will
To let me singIf it be your will
If there is a choice
Let the rivers fill
Let the hills rejoice
Let your mercy spill
On all these burning hearts in hell
If it be your will
To make us wellAnd draw us near
And bind us tight
All your children here
In their rags of light
In our rags of light
All dressed to kill
And end this night
If it be your willIf it be your will.
© Leonard Cohen, www.leonardcohenfiles.com/album8.html#65
