Simón Bolívar
New York von Holländern gegründet und bis 1667 “Nieuw Amsterdam” genannt; Kolumbien vom “Libertador” Simón Bolívar von den Spaniern erobert (1819) und seltsamerweise nach dem Konquistador Christoph Kolumbus benannt, der ja im Solde der Vorfahren derer gestanden hatte, von denen man sich grade zu befreien versuchte; vom 16. bis zum 18. Jhdt. 12 Mill. Afrikaner in die Karibik und nach Südamerika verschleppt, von denen ein Drittel schon auf der Schiffsreise verstarb; 1 Mill. Arawaks innerhalb von 40 Jahren auf einer einzigen Karibikinsel (war’s Costa Rica?) bis auf 30 Leute umgebracht (1496 – 1540) … all das habe ich nicht gewusst.
Am Wochenden hatte ich Gelegenheit in 8 Stunden intensiver Vorlesung einen komprimierten Eindruck der Geschichte des heutigen Venezuela und Kolumbien von etwa 1490 bis zur Unabhängigkeit zu erhalten. Prof. Dr. Christian Cwik (Universidad Bolivariana de Venezuela, Caracas) beeindruckte zumindest mich Geschichte-Banausen mit seinem umfassenden Wissen, das er Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studienreise in völlig freiem Vortrag darbrachte. (Ich dagegen konnte mir Jahreszahlen in der Mittelschule gerade 4 Stunden merken.)
Was da für mich vorerst bleibt, ist doch eine gewisse Erschütterung über die Grausamkeit und Selbstherrlichkeit der damaligen “Europäer”. Auch “wir Österreicher” sind hier übrigens nicht aus dem Schneider. Noch heute hat Frankreich und damit die Europäische Union “Departements” in der Karibik, die übrigens auf jeder Euro-Note abgebildet sind. Eigentlich eine ungeheuerliche Tatsache.
Aber nicht nur Europäer waren damals schon Verursacher größten Leides: China plante bereits vor Kolumbus eine “Eroberung der Welt”, die immerhin bis zu einer riesigen Expeditionsflotte führte. Der Sklavenhandel war schon vor der “Entdeckung der Neuen Welt” mindestens seit dem Römischen Reich in Schwung, wobei fleißig Afrikaner Afrikaner, hauptsächlich Kriegsgefangene, verkauften. Schwarze Menschen konnte man in jeder mittelalterlichen Stadt antreffen. Zwei Drittel der irischen Mönche waren schwarz!
Mittendrin die katholische Kirche. Den wirtschaftlichen Interessen nicht nur nicht im Wege stehend, sondern sogar sie fleißig befördernd, fand man gar nichts daran, sich an Völkermorden, bestialischen Grausamkeiten und schon gar nicht an der Ausbeutung von Rohstoffen und Arbeitskraft zu beteiligen. Auch die Inquisition, übrigens eine vorwiegend weltliche Institution mit Segen des Papstes, wütete in den Vizekönigreichen Neuspanien und Neu-Kastilien. Das Christentum in teuflischer Gestalt.
Man ist versucht, sich in Sippenhaftung als Europäer (und womöglich noch zusätzlich als Christ) diesen Ländern nur mehr recht beschämt und vorsichtig zu nähern.
Die Attacke des weißen spanischen Königs Juan Carlos in Santiago de Chile gegen den deutlich weniger weißen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez am 10. November ’07 ist in diesem Licht reichlich unsensibel und kann mit gutem Grund sogar als ziemliche Frechheit empfunden werden: Der politische Erbe der Conquistadoren kanzelt einen seiner Gastgeber, nämlich einen aufmüpfigen Unterworfenen ab, weil der es wagte, seine Sicht der Dinge – er hatte den ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar als Faschisten bezeichnet – bei einer südamerikanischen Konferenz auszusprechen.
“Por que no te callas” – “Warum hältst du nicht den Mund”
Aufzeichnung des Zwischenfalls mit englischen Untertiteln;
längerer Ausschnitt bei Venezuela aktuell
Am 5. Februar 2008 um 02:39 Uhr
hola
Am 5. Februar 2008 um 17:47 Uhr
Hallo Subhash,
Zu:”Por que no te callas”.
Vermutlich hast du dich näher als ich mit diesem Vorfall beschäftigt. Was mich an diesen damaligen Geschehen ein wenig stutzig machte ist Chàvez’ Reaktion im Nachhinein.
Wie viele Nachrichtensender berichteten, drohte Chávez mit wirtschaftlichen Konsequenzen. Hallo?!
http://www.europolitan.de
(Den Link kannst du gerne raus löschen, wenn du’s gelesen hast, die Zeile ist ein wenig arg lang, und sprengt daher die Webseite.)
Viel Spaß in Venezuela, ich bin gespannt was du von dort zu berichten hast.
Gruß Simon
Am 5. Februar 2008 um 18:04 Uhr
Hallo Simon!
Du schreibst:
“Was mich an diesen damaligen Geschehen ein wenig stutzig machte ist Chávez’ Reaktion im Nachhinein.”
Was macht dich daran stutzig? Chávez hatte angekündigt, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Spanien “prüfen” zu wollen. Was ist daran seltsam? Wenn man den Eindruck bekommt, dass ein Land die eigene Politik nicht unterstützt, dann ist es doch legitim, sich anzuschauen, ob es nicht Handelspartner gibt, die einem näher stehen. Welches Land macht das nicht?
Was den Link betrifft:
Ich habe die Linkbeschriftung gekürzt, er führt aber nach wie vor dorthin, wo du wolltest.
Grüße
Subhash
Am 5. Februar 2008 um 18:56 Uhr
Hallo Subhash!
Wirtschaftliche Beziehungen, wie Aufträge an Firmen zu vergeben, die im Ausland sind, da stehen immer Menschen dahinter, die da ihr Brot erarbeiten.
Venezuela pflegt ja auch gute wirtschaftliche Beziehungen, wie z.B. zur USA. Ein “moralischer” Gesichtspunkt scheint mir da eher nicht gegeben zu sein, aber das war auch nicht der Hintergrund, weshalb ich stutzig wurde.
Bei einer hitzigen Debatte wird Chávez über den Mund gefahren. Ja und? Das gibt’s halt. Natürlich hat das Chávez angekrazt, und in seiner Entrüstung droht er dann in erpresserischer Art mit einer Sache, die dann viele Menschen treffen würde (wenn der König sich entschuldigt, ist wieder alles gut).
Ich stelle mir vor, eine deutsche Politikerin wie Merkel würde von einem Staatsmann eines anderen Landes beleidigt werden, DARAUFHIN heißt es nun: “Deutscher Bundestag prüft wirtschaftliche Beziehungen zu…” , Hallo? 🙂
So war’s gemeint.
Gruß Simon
Am 29. Mai 2008 um 16:59 Uhr
Zu “por qué no te callas!”: In Lateinamerika ist das Dutzen in wenigen Fällen üblich, während in Spanien ist es zunehmend modischer geworden. Diese Aussage klingt daher noch respektloser.