Nördlich der Coda Mil, der Tausend-Meter-Höhengrenze, an der eine Autobahn entlangführt, erstreckt sich der Nationalpark El Avila direkt anschließend an die Stadt Caracas. Auf den Berg führt eine Seilbahn, die mit Know How der österreichischen Firma Doppelmayr gebaut wurde. Oben angelangt hat man auf der einen Seite Caracas vor sich liegen und auf der anderen das Meer.
Vom Stadtteil San Bernardino aus, wo sich das Goethe- und Humboldt-Institut befindet, wanderte ein Teil unserer Reisegruppe am Sonntag dreieinhalb teilweise doch auch anstrengende Stunden durch den Park bis zum Stadtteil Altamira. Nach einem steilen Anstieg führt ein Wanderweg auf mehr oder weniger gleicher Höhe den Berg entlang durch den Regenwald. Immer wieder gibt es sehr schöne Ausblicke auf Caracas. Sonntags waren viele Leute unterwegs, zum Großteil junge. Im letzten Abschnitt des Weges muss man in ein Tal absteigen und dann natürlich auch wieder recht steil rauf bis der endgültige Abstieg in die Stadt erfolgt. Vor dem Ausgang gibt es Straßenhändler mit Kuchen, Eis und frischen Fruchtsäften (Papaja, Mango, Erdbeeren, Brombeeren, Zucker- und Wassermelone u. a.), die wirklich sehr schmackhaft und empfehlenswert sind.
Der Ausgang, den wir benutzten, führt in das reiche Viertel Altamira, wo hinter Mauern und Stacheldraht die Segnungen des Kapitalismus genossen werden. Riesige Parabolantennen sollen den Zugang zur restlichen Welt garantieren. Autohändler in der Avenida San Juan Bosco stellen Ferrari-, Maserati- und Mercedesmodelle aus. Es gibt also sehr wohl Luxusgüter zu kaufen und reichlich inmobilen Privatbesitz in besten Grünlagen. Vom “Sozialismus des 21. Jahrhunderts” ist hier nichts zu sehen. Zumindest in diesem Viertel waren dabei die Sicherheitsmaßnahmen in meinen Augen nicht ungewöhnlich: Zäune, Mauern, Stacheldraht, Überwachungskameras. In den noblen Vierteln Wiens und den umliegenden Orten ist das ebenso ein gewohnter Anblick. Trotzdem ist Caracas natürlich eine weitaus unsicherere und gefährlicherlichere Metropole.
(Zuletzt geändert am 25.10.'10 um 8:51)
Am 15. Februar 2008 um 10:34 Uhr
Weil du schreibst, dass ein wichtiger Punkt an den Universitaeten die Erziehung zur Solidaritaet ist … dazu habe ich gelesen, dass die Folterknechte in Chile und Argentinien versucht haben, genau das aus den Gehirnen ihrer Opfer herauszupruegeln. Es ging weniger um das Erringen von Informationen (die waren meist ohnehin schon da), sondern um den Akt des Verrates an sich. Solidaritaet sollte durch Scham und Schuld ersetzt werden. Das Ziel war, die Opfer dazu zu bringen, ganz egoistisch, nur noch an das Verringern des eigenen Schmerzes zu denken. Sie wurden vor die Wahl gestellt, entweder selbst weiter unertraegliche Folter zu erleiden, oder Mitgefangene zu bestimmen, die an ihrer Stelle gefoltert wurden. Jeder Akt des Mitgefuehls (das Versorgen von Wunden, das Teilen von Essen) wurde grausamst bestraft. Die Folterer bezeichneten ihre Opfer als Kranke, und sahen sich selbst als Heiler, die sie von der Krankheit Sozialismus befreiten. Das Erschuetterndste ist, dass diese Menschen selbst an das Evangelium des “freien Marktes” glaubten (und wohl noch immer glauben), und im vollen Bewusstsein das Richtige zu tun, den “brandigen Arm” (Zitat Pinochet) amputierten.
(Naomi Klein: Die Schock-Strategie)
Am 16. Februar 2008 um 13:10 Uhr
Hallo Subhash,
zu den “Segnungen des Kapitalismus”, fällt mir ein: In Venezuela soll laut Medienberichten Lebensmittelknappheit herrschen.
Den Unternehmen wird vorgeworfen das sie zu viele Waren bzw.Lebensmittel exportieren. Die Unternehmer sagen wiederum das ihnen die Preise im Land vorgeschrieben werden.
Sie scheinen also lieber im Ausland zu verkaufen da so mehr Gewinne zu erziehlen sind.
Meine Frage ist erstmal wie ist tatsächlich diese Lebensmittelknappheit zu bewerten. Wie muß ich mir als Europäer das vorstellen wenn ich vergleichsweise einen Supermarkt besuche. Sind die Regale leer oder fast leer oder fehlt es einfach nur an Eiern und Milch…?
Und wenn ja:
Glauben die Venezuelaner daran das sich diese Probleme durch “Erziehung zur Solidaritaet”, verbessern lassen oder wird die Regierung da kontrollierend eingreifen, z.B. durch Enteignung.
Gruß Simon
Am 18. Februar 2008 um 23:46 Uhr
@ Simon:
Regale sind voll.
Natuerlich sehe ich ja nur einen kleinen Teil. In Caracas ist es angeblich schwer Milch, Zucker und auch Eier zu bekommen. Ich bekam aber in der Baeckerei immer Milch und Zucker zum Kaffee beim Fruehstuecken. Hier im Landesinneren (Mérida) kann ich dir 300 Eier sofort einkaufen, wenn du willst.
Siehe auch meine Antwort hier.
Am 27. Januar 2010 um 11:29 Uhr
Die Firma Doppelmayr hat nur die Seilbahn modernisiert. Gebaut wurde sie von Firma Heckel (Pohlig Heckel Bleichert).