Ein interessanter Vergleich ist der zwischen der staatlichen Universidad Bolivariana de Venezuela (UBV) in Caracas, die am 29. Juni 2003 gegründet wurde, und der privaten Universidad de Los Andes (UdA) in Bogotá. Erstere soll dezitiert eine Alternative zum Neoliberalismus anbieten und weiterentwickeln, allen Menschen kostenlos offen stehen (Schlagwort: “Universalisierung der Bildung”) und ist ihrem Selbstverständnis nach bewusst ideologisch (und zwar links), zweitere wurde 1948 gegründet um eine „unpolitische” Universität zu sein (als ob so etwas möglich wäre), erhebt sehr hohe Studiengebühren (8.800.000 kolumbianische Pesos pro Semester, das sind über 3.000,- €, für Medizin sogar etwa 4.000,- €), hat eine Zulassungsprüfung und hat sich zu einer elitären Universität entwickelt, die Sprungbrett für große Karrieren ist. Das neue Gebäude der UdA ähnelt eher dem Wiener Hilton als dem neuen Institutsgebäude in Wien, Rolltreppen führen von Stock zu Stock, zahlreiche Studienräume stehen den Studierenden zur Verfügung, die Bibliothek wirkt umfassend und sehr modern und überall Militär, Security, Schranken und Videoüberwachung, während der Metalldetektor der UBV eher wie eine Atrappe wirkt.
Die UBV hat zur Zeit im ganzen Land etwa 170.000 Studiernde, die UdA 14.000. Während die eine Universität Bildung als gemeinsames Gut des Volkes und als Menschenrecht sieht und die Universität zu den Leuten bringen will anstatt die Leute zur Universität, setzt die andere auf Begabtenförderung, Auslese und Konkurrenz. Dort wird von allen für alle gelernt, hier zum eigenen Profit gegen alle anderen, die Mitstreiter sind um die lukrativen Posten für Akademiker der angesehensten Universität. Für mich persönlich ist dieses Ansehen sehr zweifelhaft und ich würde viel lieber ein Gastsemester auf der UBV in Caracas verbringen, als im „ideologiefreien”, überwachten Glanz der UdA in Bogotá.
Nichtsdestotrotz war die Führung durch die Universidad de Los Andes sehr liebenswürdig und kompetent. Nicht nur die Professorin berichtete uns, auch der „Hausmeister”, der uns begleitete, war sehr gut informiert und durchaus als Fremdenführer qualifiziert. Auf Fragen wurde bereitwillig eingegangen, wie ja auch schon auf der UBV. Der anschließende Vortrag von Marta Angel Herrera, Politikwissenschaftlerin und Wirtschaftshistorikerin, über die 1.000jährige Besiedelung der Hochebene von Cundinamarca war aufschlussreich und spannend und zeigte einmal mehr die Ausmaße des Genozides an den indigenen Völkern durch die europäische Invasion.
Am 27. Februar 2008 um 15:00 Uhr
Hallo Subhash,
ich habe mich da auch mal rein gelesen und wenn ich das richtig verstanden habe, existiert da noch eine weitere große Hochschule, nämlich die Universidad Central (UCV).
Ich fand den folgenden Artikel zum Thema ebenfalls ganz interessant und ausfürlich:
http://www.raulzelik.net/textarchiv/venezuela/uni.htm
Gruß Simon
Am 28. Februar 2008 um 01:47 Uhr
@ Simon:
Es gibt insgeamt 25 oeffentliche und 9 private Universitaeten in Caracas. Ich selbst habe 2 besucht: Die Universidad Bolivariana de Venezuela und die Catolica (UCAB). Deinen Artikel lesse ich mir durch, wenn ich mehr Zeit habe. Danke.
Am 28. Februar 2008 um 19:28 Uhr
Hallo! Sammelst Du eigentlich auch Informationen zum Thema “Alternativen zum Neoliberalismus” aus Venezuela? Wäre interessant etwas mehr darüber zu erfahren, wie das dort gesehen wird.
gruß
markus
Am 29. Februar 2008 um 23:32 Uhr
Hallo lieber Subhash,
ich find deine Berichte echt absolut geil … und schön …. und auch ermutigend, daß es auch noch sowas gibt, also den Versuch, es “anders” zu machen.
Und wunderschöne Fotos, wie von dir ja zu erwarten war 😉
Lieben Gruß in den (von hier aus) Süd-Westen
Edgar
Am 1. März 2008 um 15:31 Uhr
@ Markus:
Na ja, die Politik Venezuelas ist der Versuch eine Alternative zum Neoliberalismus weiter zu entwickeln, sich aus alten Abhaengigkeiten zu befreien und den “Sozialismus des 21. Jhdts.” zu leben. Aehnlich ist es in Ecuador und Brasilien.
Der Schwerpunkt meines Interesses ist Venezuela; ich kenne die Verfassung recht gut (die mir nun auch in Spanisch vorliegt) und finde darin sehr interessante Ansaetze, die hoffentlich weiter umgesetzt werden koennen. Interessant ist auch, dass in Kolumbien mit Jorge Gaitán eine aehnliche Entwicklung stattfand, die durch eine Autobombe beendet wurde. (Gaitáns Tochter schwoert auf eine Beteiligung der CIA.)
Ich werde auch nach meiner Rueckkehr dieses Blog noch ergaenzen und auf diese Frage weiter eingehen.