In der Beschreibung der Ausarbeitung des Bildes „Winter #7146” habe ich erwähnt, dass ich mir angewöhnt habe „to the right” (also „nach rechts”) zu belichten um möglichst gutes Datenmaterial für die digitale Entwicklung zu bekommen. Was das bedeutet, soll nun hier beschrieben werden.
Ein Kamerasensor zeichnet Helligkeitstonwerte (die Luminanz) nicht linear auf. Es wird wesentlich mehr „Platz” in einer Bilddatei für die helleren Töne bereit gehalten, als für die dunklen. Will man also das Beste aus seiner Aufnahme herausholen fotografiert man nicht JPGs, sondern im RAW-Format, und belichtet so hell wie nur irgendwie möglich, ganz unabhängig davon, wie hell man oder frau das Bild dann schließlich haben möchte.
RAW-Bilder müssen erst „entwickelt” werden. Sie haben feinere Abstufungen als JPGs (mindestens 68.719.476.736 Stufen gegenüber 16.777.216 Stufen bei JPG) und das bedeutet, dass man viel mehr Spielraum in der Ausarbeitung hat, als bei Eingriffen in JPG-Dateien, bevor unschöne Artefakte wie z.B. Tonwertabrisse auftreten. Was heißt nun „so hell wie möglich belichten”?
Ganz einfach: Ziel ist, dass einerseits das Bild hauptsächlich in dem Bereich zu liegen kommt, der genauer aufzeichnet, also in der „hellen Hälfte” und andrerseits keine Zeichnung in den hellsten Stellen verloren geht, die man noch erhalten möchte. Zur Belichtungsmessung gleich mehr, zuerst aber eine kurze Beschreibung eines wichtigen Hilfsmittels: Links oben sehen Sie das Histogramm des Bildes „Winter #7146” (größer auf Anklicken). Ein Histogramm zeigt einfach auf der X-Achse von links nach rechts die Helligkeit von Schwarz bis Weiß und auf der Y-Achse die Anzahl der Pixel der jeweiligen Helligkeit. Und das für jeden Kanal, also für den Rot-, Grün- und Blau-Kanal. Hier noch einmal das Bild zu diesem Histogramm:
Man sieht, das Bild ist sehr hell, und das zeigt auch das entsprechende Histogramm: Nur ganz rechts befinden sich viele Pixel. Hier ein dunkles Bild und sein Histogramm:
„Pilze #4373”
Histogramm zum Ausgangsbild von „Pilze #4373”
Viele dunkle Pixel, also ist der „Berg” des Histogramms links zu sehen. Stärker konnte nicht belichtet werden, sonst wären die Lichter zu sehr „ausgerissen”, d.h. hätten jede Differenzierung und damit Zeichnung verloren.
„To the right” belichtet man am einfachsten so: Man stellt die Kamera-Belichtungsmessung auf „Spot”, die Programmeinstellung auf „manuell”. „Spot” bedeutet, dass nur mehr ein kleiner Bereich in der Mitte des Bildes zur Messung herangezogen wird. Bei meiner Olympus E-5 ist das ungefähr der Bereich, der im Sucher durch einen Kreis gekennzeichnet ist. Diesen Bereich richtet man auf die hellste Stelle im Bild, die nicht gänzlich weiß werden soll, also beispielsweise auf einen hell strahlenden Wolkenrand, der noch Zeichnung behalten soll. Diesen Wert korrigiert man nun so weit nach oben, dass diese hellen Stellen gerade noch nicht weiß werden, also nach der Aufnahme am Display bei der Lichteranzeige nicht blinken (weil gerade noch nicht überbelichtet). Das Histogramm läuft dann rechts aus und steht nicht an der Kante an so wie hier:
Histogramm: Lichter ausgefressen
Bei meiner E-5 sind das 2 1/3 bis 2 2/3 EV („exposure value” auch „LW” – Lichtwert genannt). Das habe ich durch einen kleinen Test herausgefunden. Also die Belichtungszeit um 2 1/3 Stufen verlängern (oder die Blende öffnen, aber die haben Sie ja wahrscheinlich nach der gewünschten Tiefenschärfe eingestellt). Bei der schließlichen Ausarbeitung stellt man dann Weiß und Schwarz sowie die Mitten so ein, wie man das gerne hätte. Und man hat die allerbeste Bildqualität, die mit dieser Kamera unter den gegebenen Bedingungen erreichbar war: das niedrigste Rauschen, die meisten Zwischentöne, die differenziertesten Details! Hier ein Beispiel; oben „normal” belichtet, unten „to the right” (Ausschnitt: 100%, nicht geschärft, nicht entrauscht):
normale Belichtung
Olympus E-5, Zuiko 70-300 mm, 74 mm, f/4-5.6, 1/200, f/5.6, ISO 400
Belichtung „to the right”, in der Ausarbeitung angepasst
Olympus E-5, Zuiko 70-300 mm, 74 mm, f/4-5.6, 1/100, f/5.6, ISO 400
Dieses Beispiel zeigt ein durchschnittliches Motiv, bei höheren ISO-Werten und dunkleren Motiven ist der Unterschied noch viel größer.
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Mögen die Photonen mit euch sein!
Subhash
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Dieser Artikel ist sehr interessant. Ich bin zwar mit der Funktion des Histogramms vertraut, aber in dieser Breite hat er neues für mich gebracht. Ich denke, ich werde ihn mir ausdrucken und vor Ort ausprobieren. Dabei erscheint mir – liege ich da richtig? – ein Stativ ebenso sinnvoll wie notwendig. Sonst hat man ständig andere Werte. Was mir am schwersten erscheint, sich alles zu merken. Aber das wird besser, je öfter man das ausprobiert.
VG Jürgen
Hallo Jürgen, was das Stativ betrifft, so hilft es bei sehr langen Teleobjektiven, weil man sonst nicht ruhig genug für die Spotmessung halten kann. Sonst ist es nicht unbedingt nötig. Aber natürlich hilft es auch, genauer zu komponieren, auf die Ecken einer Aufnahme zu achten, stürzende Linien zu vermeiden (wenn man das will), mit LiveView-Lupe scharf zu stellen etc.